I. Allgemeines

Um eine Überschuldung und die daraus resultierende Insolvenzantragspflicht zu vermeiden, welche sich gemäß § 15a InsO bei Kapitalgesellschaften bzw. Personengesellschaften mit einer juristischen Person als persönlich haftender Gesellschafter (z.B. GmbH & Co. KG) ergibt, kommt als wirksames Mittel vor allem eine sogenannte Rangrücktrittserklärung in Betracht.

„Rangrücktrittserklärung“ bedeutet, dass der Gläubiger – häufig ein Gesellschafter – gegenüber dem Schuldner (d.h. der Gesellschaft) erklärt, dass eine Forderung als „nachrangig“ gegenüber den Forderungen der anderen Gläubiger sein soll.

Dies verfolgt folgende Ziele:

Die Verbindlichkeit soll in der „Überschuldungsbilanz“ durch insolvenzrechtliche Umqualifizierung in Eigenkapital vermieden werden.

Die Verbindlichkeit soll in der Handels- und Steuerbilanz bestehen bleiben, da die Ausbuchung sonst zur Gewinnrealisierung führen würde.

Jedoch stehen diese Ziele in einem Widerspruch zueinander. Daher muss die Rangrücktrittserklärung sowohl den insolvenzrechtlichen wie auch den bilanzrechtlichen und steuerrechtlichen Anforderungen genügen.

Da § 15a InsO eine Insolvenzantragspflicht für die Vertretungsorgane der eingangs genannten Gesellschaften normiert, muss angesichts der daraus folgenden haftungs- und strafrechtlichen Folgen ein hohes Maß an Sorgfalt bei der Formulierung der Rangrücktrittserklärung an den Tag gelegt werden.

II. Situation im Insolvenzrecht

Noch vor Inkrafttreten des „Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen“ (MoMiG) am 1. November 2008 genügte eine Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner, dass eine Rückzahlung der Verbindlichkeit nur dann erfolgen darf, wenn der Schuldner dazu aus künftigen Gewinnen, einem Liquidations-überschuss oder aus anderem freien Vermögen in der Lage ist und der Gläubiger mit seiner Forderung im Rang hinter alle anderen Gläubiger zurücktritt.

Dieser Typus des Rangrücktritts wurde häufig als „einfacher Rangrücktritt“ bezeichnet.

Nach früherer Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) konnte von einem Ausweis der Verbindlichkeit in der Überschuldungsbilanz nur dann abgesehen werden, wenn ein sog. qualifizierter Rücktritt erklärt wurde. Hierfür bedurfte es der Erklärung des Gläubigers, dass er mit der Forderung hinter „alle anderen Gläubiger zurücktrete und bis zur Abwendung der Krise seine Forderung nur in gleicher Weise wie Einlagenrückgewähransprüche der Gesellschafter befriedigt werden solle“.

Seit dem Inkrafttreten des MoMiG sind nach § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO Gesellschafterdarlehen bei der Ermittlung des Überschuldungsstatus nicht zu berücksichtigen, wenn zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang für die Forderung im Insolvenzverfahren hinter den Rang der in § 39 Abs.1 Nr. 5 InsO genannten Positionen vereinbart wurde.

Somit ist insolvenzrechtlich kein qualifizierter Rangrücktritts mehr erforderlich, damit die Überschuldung beseitigt wird, es genügt eine Vereinbarung über den Rangrücktritt hinter die in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO genannten Forderungen und Kosten.

In einem aktuellen Urteil vom 05.03.2015 (Az. IX ZR 133/14) hat der BGH nun ausführlich dargelegt, unter welchen Voraussetzungen die Verbindlichkeit nicht in der Überschuldungsbilanz aufzunehmen ist.

Nicht ausreichend dafür ist die Vereinbarung, wonach ein Nachrang nur für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Geltung haben soll.

Denn der Gläubiger wäre dadurch nicht gehindert, seine Forderung vor Verfahrenseröffnung zu realisieren. Eine Überschuldung des Unternehmens wäre dadurch nicht abgewendet.

Daher, hat sich nach Ansicht des BGH der Regelungsbereich der Rangrücktrittserklärung auf den Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung zu erstrecken. Der Rangrücktritt muss als rechtsgeschäftliches Zahlungsverbot dahingehend ausgestaltet werden, dass die Forderung des Gläubigers außerhalb des Insolvenzverfahrens nur aus freiem Vermögen und in der Insolvenz nur im Rang nach den Forderungen sämtlicher übrigen Insolvenzgläubiger befriedigt werden darf. Ein zeitlich begrenzter Rücktritt ist unzulässig.

Nur dann könne nach Ansicht des BGH die Forderung in der Überschuldungsbilanz wie Eigenkapital behandelt werden.

Damit die Verbindlichkeit in der Handelsbilanz weiterhin auszuweisen ist, darf auf keinen Fall ein Forderungsverzicht vorliegen. Das heißt, der Rangrücktritt darf lediglich die Rangfolge, nicht aber den Bestand der Forderung betreffen.

Ferner muss eine Regelung getroffen werden, unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger die Befriedigung seiner Forderung verlangen kann.

III Steuerrechtliche Anforderungen

Es ist vor allem die Regelung des § 5 Abs. 2a EStG zu beachten.

Denn nach dieser Vorschrift sind für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen mangels gegenwärtiger wirtschaftlicher Belastung erst dann in der Steuerbilanz anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne tatsächlich angefallen sind. So hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 30.11.2011 ( I R 100/10) geurteilt, dass die Voraussetzungen für die Bilanzierung einer Verbindlichkeit nicht vorlagen, weil Gläubiger und Schuldner neben dem Rangrücktritt vereinbart hatten, dass die Gläubigerin Befriedigung ihrer Forderung nur aus künftigen Jahresüberschüssen oder einem Liquidationsüberschuss verlangen kann. Die Frage des „sonstiges freies Vermögens“ war nicht angesprochen worden.

Damals hatte es der BFH noch abgelehnt, für den im Zeitpunkt der Ausbuchung nach § 5 Abs. 2a EStG aufgrund eines solchen Rangrücktritts werthaltigen Teil des Darle­hens eine Einlage anzunehmen. Mit Urteil vom 15.04.2015 (I R 44/14) hat er diese Auffassung nunmehr aufgegeben und eine (soweit werthaltig anteilige) Einlage aus dem Wegfall der Darlehensverbindlichkeit in der Steuerbilanz wegen § 5 Abs. 2a EStG angenommen.

IV. Hinweise

Zusammenfassend ergeben sich für eine Rangrücktrittsvereinbarung zum Zwecke der Vermeidung bzw. Beseitigung einer Überschuldung damit folgende Vorgaben:

Eine Zahlung auf die Verbindlichkeit vor Insolvenzeröffnung hat zu unterbleiben, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder wenn durch die Zahlung auf die Verbindlichkeit die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft droht bzw. herbeigeführt würde.

Eine Aufhebung der Rangrücktrittsvereinbarung vor Insolvenzeröffnung ist nur dann zulässig, wenn die Insolvenzreife der Gesellschaft nicht bereits vorliegt oder die Insolvenzreife beseitigt worden ist.

Eine Zahlung auf die Verbindlichkeit nach Insolvenzeröffnung kann erst an letzter Rangstelle erfolgen.

Der Gläubiger kann Befriedigung aus einem künftigen Jahres- oder Liquidationsüberschuss sowie aus dem sonstigen freien Vermögen verlangen.

Wo sinnvoll kann orientiert an den Grundsätzen der o.g. Urteile des BFH eine Gestaltung gewählt werden, bei der die Verbindlichkeit handelsbilanziell bestehen bleibt, steuerbilanziell aber, etwa zur Ausnutzung von Verlustvorträgen, erfolgsrelevant ausgebucht werden muss. Hierbei ist aufgrund des jüngsten BFH-Urteils hierzu allerdings die Behandlung des werthaltigen Teils der Ausbuchung als Einlage zu berücksichtigen.

Auf jeden Fall hat vor dem Hintergrund der möglichen strafrechtlichen Konsequenzen und dem Regressrisiko eine Rangrücktrittsvereinbarung den steuerlichen und insolvenzrechtlichen Anforderungen zu genügen.

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